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Polen im Ruhrgebiet: Gewerkschaften und ausländische Arbeitskräfte im Kaiserreich
Die Integration von ausländischen Arbeitskräften und ihren Familien ist ein langwieriger Prozess. Das zeigt sich schon am Ende des 19. Jahrhunderts, als rund 500.000 Polinnen und Polen nach Deutschland, speziell ins Ruhrgebiet, einwandern.
Sofort finden sie einen Arbeitsplatz, zumeist im Bergbau, auch in der Stahlindustrie. Sie bauen ein vielfältiges Vereins-, Bildungs- und Unterstützungsnetz auf, bewahren vielfach auch ihre kulturelle Identität.
Die Bemühungen der deutschen Bergarbeitergewerkschaften, Polinnen und Polen durch die Herausgabe polnisch-sprachiger Verbandszeitschriften zu werben, bleiben erfolglos. Die Zugewanderten kritisieren vielmehr, dass die deutschen Gewerkschaften ihren speziellen Wünschen nicht weit genug entgegenkommen. Außerdem würden kaum polnische Arbeiter als Gewerkschaftsfunktionäre eingestellt.
So gründen sie 1902 einen eigenen Verband: die Polnische Berufsvereinigung (Zjednoczenie Zawodowe Polskie), die bald rund 50.000 Mitglieder zählt und im Ruhrgebiet vor dem Ersten Weltkrieg zu einer bedeutenden Organisation vor allem im Bergbau wird. Sie steht den Christlichen Gewerkschaften nahe, die überwiegend katholisch geprägt sind. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg beteiligt sich die Polnische Berufsvereinigung an den großen Bergarbeiterstreiks, verliert in den 1920er Jahren an Bedeutung und löst sich 1934 selbst auf.
Heute erinnern allenfalls polnisch klingende Nachnamen an die Einwanderung von Polinnen und Polen Ende des 19. Jahrhunderts, deren Erbe längst Teil der Ruhrgebietsidentität geworden ist.
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