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Ernst Breit bei Bundeskanzler Helmut Schmidt: Übergabe der Unterschriften gegen die Nachrüstung am 17. September 1982

Die Arbeitslosigkeit steigt stetig: Sozialstaat unter Druck

Im Mai 1974 tritt Willy Brandt zurück. Der Vater der Entspannungspolitik stürzt über Günter Guillaume, einen Agenten der DDR, der es bis in Kanzleramt geschafft hat. Doch die Spionage-Affäre ist nur der Anlass, nicht die Ursache für Brandts Rücktritt. Schon zu Beginn der 1970er Jahre nehmen die Konflikte zwischen SPD und FDP und innerhalb der SPD zu. Unter Bundeskanzler Helmut Schmidt verschärfen sich die Auseinandersetzungen.

Die Regierungszeit von Helmut Schmidt steht unter keinem guten Stern: Die Wirtschaft stagniert, die Staatsverschuldung steigt und die Preisentwicklung ist inflationär. Ölkrise und Ölpreisschock verschärfen die Situation. Keine guten Zeiten, um weitere Reformen auf den Weg zu bringen.

Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, setzt die Regierung Helmut Schmidt auf eine restriktive Geld- und Kreditpolitik und auf die Kürzung der Sozialausgaben. Parallel zum Sparkurs investiert sie in kostspielige Konjunkturprogramme, die sich jedoch als wirkungslos erweisen und die Staatsverschuldung weiter in die Höhe treiben. Die FDP, in der der konservative und neo-liberale Flügel um Otto Graf Lambsdorff an Zustimmung gewinnt, drängt auf einen radikaleren Sparkurs. Bundeskanzler Schmidt ist bereit, ihn mitzutragen, seine Partei, die SPD, aber nicht.

Auch auf anderen Gebieten sind die Probleme unübersehbar: Die Ostpolitik stagniert. Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) führt nur sehr langsam zu spürbaren Veränderungen in den Ländern des Ostblocks. Und die Rote-Armee-Fraktion (RAF) hält die Bevölkerung in Deutschland in Atem. Ihr Terror erreicht 1977 mit der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, und der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ ihren Höhepunkt.

Die neuen sozialen Bewegungen setzen die Regierung zusätzlich unter Druck. Sie fordern eine neue Umweltpolitik und endlich wirkungsvolle Maßnahmen zur Gleichstellung der Frauen. Als die USA weitere Mittelstrecken in Deutschland stationieren will, gehen Millionen Menschen auf die Straße, um die „Nachrüstung“ zu verhindern. Angesichts dieser Konflikte wächst die Kluft nicht nur zwischen SPD und FDP, sondern auch zwischen dem Bundeskanzler und „seiner“ Partei. Viele SPD-Mitglieder schließen sich der „Friedensbewegung“ an.

Helmut Kohl wird Bundeskanzler

Am 1. Oktober 1982 endet die Ära Helmut Schmidt. Die Mehrheit der FDP-Fraktion unter Hans-Dietrich Genscher spricht sich für eine Koalition mit CDU und CSU aus. Durch ein konstruktives Misstrauensvotum wird Helmut Schmidt abgelöst, Helmut Kohl wird Bundeskanzler.

Wenige Monate später, im März 1983, finden Neuwahlen statt. Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Helmut Kohl wirbt für eine „geistig-moralische Wende“ in Deutschland und wird im Amt bestätigt. Doch die Wende findet nur in Teilen statt: Die umstrittene „Nachrüstung“ wird, wie bereits von der sozial-liberalen Koalition unter Helmut Schmidt befürwortet, beschlossen. Die Entspannungspolitik wird fortgesetzt. 1987 empfängt Helmut Kohl den Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, zu einem Staatsbesuch in der Bundesrepublik Deutschland. Auch die von der außerparlamentarischen Opposition geforderte und gelebte Öffnung für neuen Lebensformen lässt sich nicht aufhalten.

In der Wirtschafts- und Finanzpolitik schlägt die Kohl-Regierung allerdings einen verschärften Kurs ein. Nicht zuletzt unter dem Einfluss neo-liberaler Theorien werden Sozialleistungen weiter abgebaut, um den Staatshaushalt zu sanieren. Die „Belastungen“ für die Wirtschaft werden gesenkt, um den „Standort Deutschland“ zu sichern.

Auf große Begeisterung bei der Bevölkerung stößt die Politik Kohls nicht. Die Wahlergebnisse 1987 sind eher ernüchternd. Zwar hat die konservativ-liberale Regierung nach wie vor eine parlamentarische Mehrheit, aber die Stimmenverluste für die CDU wiegen schwer.

Erst durch die plötzlichen Umbrüche im Osten Deutschlands gewinnt die Regierung wieder an Zustimmung. Nach dem Mauerfall am 9. November 1989 ergreift die Kohl-Regierung die Chance, die Teilung Deutschlands zu überwinden. Sie drängt auf eine rasche Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, betreibt eine Vertiefung der europäischen Einigung und überzeugt in den Zwei-plus-Vier-Gesprächen die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs Sowjetunion, USA, Frankreich und Großbritannien, dass die deutsche Einheit vollzogen werden soll. Der Regelungs-Vertrag wird am 12. September 1990 in Moskau unterzeichnet. Am 3. Oktober 1990 ist Deutschland wiedervereint.

 

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Flexibilisierung, Deregulierung, Shareholder Value ...  die Antworten auf die Massenarbeitslosigkeit setzen den Sozialstaat unter Druck. Im Juni 1986 strömen Hunderttausende zur größten Demonstration in der Geschichte der DGB-Gewerkschaften. Die IG Metall initiert das "Bündnis für Arbeit". 

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