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Streik der Metallarbeiter in Württemberg-Nordbaden, 29. April 1963

Nach der Bundestagswahl 1953: Konzentration auf die Tarifpolitik

Nach dem Scheitern der Wahl-Kampagne „Für einen besseren Bundestag” konzentrieren sich die Gewerkschaften auf ihr “eigentliches“ Arbeitsfeld, das der Tarif- und Sozialpolitik.

Das spiegelt sich am deutlichsten in dem am 29./30. März 1955 von Bundesvorstand und Bundesausschuss einstimmig verabschiedeten Ersten Aktionsprogramm des DGB zum 1. Mai 1955 wider. Darin sind die Schwerpunkte der Gewerkschaftsarbeit zusammengefasst: Sie fordern Lohnerhöhungen, eine Verkürzung der Arbeitszeit, die Verbesserung der sozialen Sicherheit und des Arbeitsschutzes sowie Sicherung und Ausbau der Mitbestimmung. Auf diesen Feldern verzeichnen die Gewerkschaften in den folgenden Jahren durchaus Erfolge – nicht zuletzt dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung.

Erfolge in der Lohnpolitik

Eine wichtige Grundlage dafür ist aber auch das Tarifvertragsgesetz, das im April 1949 verabschiedet wird. Es garantiert den Tarifvertragsparteien die Tarifautonomie, sprich der Staat hat nicht das Recht, sich in Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften einzumischen.

Auf dieser Grundlage wird es in den 1950er Jahren selbstverständlich, dass sich Gewerkschaften und Arbeitgeber alljährlich zu einer Lohnrunde treffen. Und die sind in diesen Jahren für die Arbeitnehmer durchaus erfolgreich. Die Gewerkschaften sind bereit, die gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten bei ihrer Lohnpolitik zu berücksichtigen, die Arbeitgeber können angesichts des Wirtschaftswachstums Zugeständnisse machen und die Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt beteiligen. Vielleicht erhoffen sich die Arbeitgeber auch, durch ein Entgegenkommen in der Lohnfrage weitergehenden politischen Forderungen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

 

Video

Bessere Absicherungen im Krankheitsfall, kürzere Arbeitszeiten, Metallerstreik in Baden-Württemberg: Szenen aus den großen Tarifauseinandersetzungen seit 1956. 

© DGB

Lohnpolitik oder Vermögensbildung

Möglichkeiten und Grenzen der tariflichen Lohnpolitik sind in den Gewerkschaften durchaus umstritten. Auf der einen Seite steht der Leiter des den Gewerkschaften nahestehenden Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts (WWI) Viktor Agartz, der von einer „expansiven Lohnpolitik“ erwartet, sie werde Lebensstandard und Nachfrage erhöhen, Konjunktur und Vollbeschäftigung sichern und zugleich eine gerechtere Verteilung des Sozialprodukts erreichen. Unterstützung findet Agartz bei Otto Brenner von der IG Metall, der sich ebenfalls für eine „aktive Lohnpolitik“ ausspricht. Er geht davon aus, dass eine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung nicht auf dem Boden des kapitalistischen Systems zu erlangen sei. Vermögensbildungsmaßnahmen seien also letztlich sinnlos. Demgegenüber meint Georg Leber von der IG Bau, Steine, Erden, gerade hier und jetzt müsse durch tarifliche Vermögensbildung eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen erreicht werden.

Die IG Bau, Steine, Erden verfolgt konsequent diesen Weg: Am 31. Dezember 1962 wird für die Bauindustrie ein Tarifvertrag abgeschlossen, der Sonderleistungen für organisierte Bauarbeiter vorsieht. 1965 werden dann für die Bauwirtschaft tariflich vermögenswirksame Leistungen vereinbart.

Bilanz der Lohnpolitik

Die Erfolge der gewerkschaftlichen Lohnpolitik können sich sehen lassen: Die Reallöhne steigen von 1956 bis 1960 durchschnittlich um 4,6 Prozent pro Jahr, in den folgenden fünf Jahren bis 1965 sogar um 5,3 Prozent. Die Erfolge der gewerkschaftlichen Lohnpolitik sind umso beachtlicher, als sie ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre von ersten Arbeitszeitverkürzungen begleitet werden, deren Kosten in allen Tarifverträgen auf die Steigerungsraten der Löhne angerechnet werden.

Schaut man sich die Lohnentwicklung etwas genauer an, so fällt erstens auf, dass sie – bis auf einige Ausnahmen – in keinem Jahr den vom Wachstum der Produktivität gesetzten Rahmen sprengt. Zum Zweiten ist es wohl mehr als ein Schönheitsfehler in der gewerkschaftlichen Lohnpolitik, dass die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenlöhnen fortbestehen. Gerade die Lohnpolitik ist ein Prüfstein für die Ernsthaftigkeit, mit der die Gewerkschaften die auf dem Münchener Gründungskongress angekündigte Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet verfolgen. Zwar beauftragt der DGB-Kongress 1954 die Gewerkschaften, die Lohn- und Gehaltsgruppen in den Tarifverträgen nur nach Tätigkeitsmerkmalen und nicht mehr nach Geschlechtern festzulegen sowie keinerlei Erläuterungen zuzustimmen, die eine Minderbezahlung weiblicher Arbeitnehmer zulassen. Doch in der Praxis wird das Problem durch die Einführung neuer „Leichtlohngruppen” umgangen. Die Masse der Frauen wird in diese Leichtgruppen eingruppiert.  

Drittens: Die Gewerkschaften können in den Jahren der Vollbeschäftigung zwar die Reallöhne sichern. Ob allerdings der Verteilungsspielraum ausgeschöpft wurde, ist fraglich. Die übertariflichen Zahlungen, die in einzelnen Branchen eine durchaus nennenswerte Höhe erreichen, deuten darauf hin, dass noch höhere Lohnabschlüsse möglich gewesen wären.

Der Unterschied zwischen Tariflohn und tatsächlich gezahlten Löhnen führt zu Überlegungen, die Tarifpolitik betriebsnäher zu gestalten. Die Gewerkschaften erhoffen sich dadurch auch, die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gewerkschaftsarbeit zu verstärken. Doch die Tendenz zur Zentralisierung der Tarifkonflikte wird durch das Konzept der „betriebsnahen Tarifpolitik” nicht aufgehalten. Und die Selbstverständlichkeit, mit der die jährlichen Lohnrunden und Lohnerhöhungen stattfinden, trägt nicht dazu bei, das Engagement der Mitglieder für Lohnauseinandersetzungen zu stärken.

Und schließlich ist viertens nicht zu übersehen, dass sich das durchschnittliche Einkommen aus unselbstständiger Arbeit von 1950 bis 1960 zwar gut verdoppelt. Das aus selbstständiger Arbeit hingegen verdreifacht sich im selben Zeitraum fast. Berücksichtigt man den ständig steigenden Anteil der Arbeitnehmer an der Zahl der Erwerbstätigen, so ergibt sich ein Sinken der (bereinigten) Lohnquote von 58,4 Prozent (1950) über 54,1 Prozent (1955) und 53,6 Prozent (1960) auf 54,8 Prozent (1965).

Vor diesem Hintergrund gewinnen die Pläne zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand Bedeutung. Der von der Regierung 1961 mit dem 312-Mark-Gesetz beschrittene Weg und die Ausgabe von „Volksaktien” gelten bei der Mehrheit der Gewerkschafter als „Volkskapitalismus”, dem sie, so Bruno Gleitze, die Idee einer Vermögensbildung über große Fonds vorziehen, an denen die Arbeitnehmer Anteilscheine erhalten sollen. In der Tat: Weder durch das Vermögensbildungsgesetz von 1961 noch durch die Aufstockung des begünstigten Sparbetrages auf 624,– Mark mit Gesetz vom 30. Juni 1971 wird eine Veränderung der Verteilung des Produktivvermögens erreicht.

Mit der Besserung der Wirtschaftslage zu Beginn der 1950er Jahre steigt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in der Industrie wieder an. Sie liegt bald schon wieder auf der Höhe der Vorkriegszeit zwischen 47,5 und 48,6 Stunden.

Die Gewerkschaften halten dagegen. Bereits der 1. Mai 1952 steht im Zeichen der Forderung nach Einführung der 40-Stunden-Woche. Und das Aktionsprogramm vom 29./30. März 1955 nennt in Punkt I als Ziel: „Fünftagewoche bei vollem Lohn- und Gehaltsausgleich mit täglich achtstündiger Arbeitszeit.” Zur Begründung wird auf die zunehmende Verdichtung der Arbeit hingewiesen. Die Verkürzung der Arbeitszeit sei also zur „Auffrischung der erschöpften Kräfte”, aber auch zum Schutz der „sozialen und sittlichen Grundlagen des Familienlebens” nötig.

Auch die DAG fordert in ihrem Grundsatzprogramm aus dem Jahre 1953 die Einführung der 40-Stunden-Woche an fünf Arbeitstagen. Und die SPD unterstützt in ihrem Aktionsprogramm, das auf dem Parteitag in Dortmund 1952 beschlossen und auf dem Parteitag in Berlin 1954 erweitert wird, die gewerkschaftliche Forderung nach „Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Gehaltsausgleich” auf 40 Stunden pro Woche.

Ihren Höhepunkt erreicht die Agitation für die 40-Stunden-Woche Mitte der 1950er Jahre. Am bekanntesten ist der Aufruf des DGB zum 1. Mai 1956: „Samstags gehört Vati mir!” Nach den Vorstellungen der Gewerkschaften soll die 40-Stunden gesetzlich festgeschrieben werden. Nur wenn dies nicht gelingt, sind tarifvertragliche Regelungen anzustreben. Dabei sind die Gewerkschaften auch bereit, eine stufenweise Verkürzung der Arbeitszeit zu akzeptieren, weil dies die Möglichkeit produktionstechnischer Anpassungen biete.

Jetzt endlich, nach mehr als fünf Jahren geben sich die Arbeitgeber kompromissbereit. In einem 10-Punkte-Programm legen sie am 12. Januar 1956 ihre Position zur Arbeitszeitfrage dar: Der auf die Arbeitnehmer entfallende Anteil an der Produktivitätssteigerung solle auf Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzung aufgeteilt werden, wobei die Arbeitszeitverkürzung nur stufenweise dem Produktivitätsfortschritt folgen dürfe. Mit diesem Verhandlungsangebot werde – aus der Sicht der Arbeitgeber – nicht nur der „soziale Friede” gewahrt, sondern die Arbeitszeitverkürzung produktions- wie umverteilungsneutral eingeführt werden.

Nicht der Gesetzgeber, sondern die Einzelgewerkschaften sind es, die der 40-Stunden-Woche zum Durchbruch verhelfen. Am 14. November 1956 schließt der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten für die gewerblichen Arbeiter und Arbeiterinnen der Zigarettenindustrie einen Manteltarifvertrag ab, der ab 1. Januar 1959 die 40-Stunden-Woche vorsieht.  Dann schafft die IG Metall den Durchbruch für eine große Zahl von Arbeitnehmern. In mehreren Abkommen mit den Arbeitgebern, die sie zwischen 1956 und 1960 abschließt, wird die stufenweise Einführung der 40-Stunden-Woche vereinbart. Das 1960 geschlossene „Bad Homburger Abkommen” dient für die Arbeitszeitregelungen anderer Industriezweige vielfach als Vorbild.

Doch bei der Realisierung legen sich die Arbeitgeber erneut quer. Umstritten ist, in welchen Stufen die Arbeitszeit verkürzt werden soll. Erst nach einem Arbeitskampf mit Streik und Aussperrung im Jahr 1963 und nach neuen Verhandlungen wird die 40-Stunden-Woche in der Metallindustrie schließlich am 1. Januar 1967 eingeführt.

Doch bis die 40-Stunden-Woche für nahezu alle Arbeitnehmer tarifliche Norm ist, vergehen noch Jahre. 1973 kommen „nur” 69 Prozent aller Arbeitnehmer in den Genuss der 40-Stunden-Woche, 1978 gilt sie dann für 92,6 Prozent.

Der Anspruch auf einen dreiwöchigen, bezahlten Urlaub im Jahr wird im Januar 1963 gesetzlich abgesichert. Damit regelt das Gesetz, was zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon in vielen Tarifverträgen vereinbart ist. Bereits Ende der 1960er Jahre ist das Bundesurlaubsgesetz von der Entwicklung überholt: Da beträgt die durchschnittliche, tariflich vereinbarte Urlaubsdauer bereits vier, 1975 knapp fünf Wochen.

Die wöchentliche Arbeitszeit wird zwar seit den 1950er Jahren verkürzt, doch die tägliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten geht kaum zurück. Hauptgrund ist, dass die Samstagsarbeit abgeschafft und die verbleibenden Stunden auf die anderen Arbeitstage verteilt werden. Gleichzeitig nimmt die Teilzeitarbeit zu. Der Anteil der Teilzeitarbeitskräfte an der Gesamtzahl der Arbeitnehmer steigt von 2,6 Prozent im Jahr 1960 auf  fast 5,0 Prozent im Jahre 1966 Teilzeitarbeit ist und bleibt für Jahrzehnte ganz weitgehend ein Kennzeichen weiblicher Arbeitskräfte. Sie trägt dazu bei, dass der Anteil der erwerbstätigen Frauen seit den 1950er Jahren kontinuierlich ansteigt. Eine weitere Folge der Arbeitszeitverkürzung ist die Zunahme der Schichtarbeit in den 1960er Jahren.

Die Einführung der 40-Stunden-Woche schafft neue Arbeitsplätze. Doch die Befürchtungen der Arbeitgeber, es könne zu einem Mangel an Arbeitskräften kommen, bewahrheiten sich nicht. Durch die Zuwanderung aus der DDR (bis 1961), das Anwerben ausländischer Arbeitnehmer und durch die Erhöhung der Frauenerwerbsquote kann der Bedarf an Arbeitskräften gedeckt werden.

Die Jahre des „Wirtschaftswunders” begründen den Ruf der deutschen Gewerkschaften, sie seien ganz besonders „friedlich”. Vergleicht man die Streikaktivität von italienischen, französischen und englischen Gewerkschaften, dann stimmt das. Es stimmt auch, wenn man die 1950er und 1960er Jahre mit früheren Perioden der deutschen Geschichte vergleicht: Nie zuvor sind so wenig Arbeitnehmer an Arbeitskämpfen beteiligt, ist die Zahl der Ausfalltage so gering.

Doch das heißt nicht, dass die Gewerkschaften in den 1950er und 1960er Jahren „wirtschaftsfriedlich” sind. Vielmehr erleichtern die organisatorische Stärke der Gewerkschaften und die gute wirtschaftliche Entwicklung die Durchsetzung von Forderungen ohne Arbeitskampf. Hinzukommt: Das Bundesarbeitsgericht beschneidet ab 1955 in mehreren Grundsatzurteilen die Streikfreiheit. Streik und Aussperrung werden gleichgestellt, spontane und politische Streiks verboten und die Sozialadäquanz-Norm festgelegt, nach der ein Streik verhältnismäßig sein müsse und sich nur gegen diejenigen richten dürfe, die als direkte Kontrahenten auch in der Lage sind, die Forderungen zu erfüllen. Die Gewerkschaften erkennen diese Urteile an, ab Mitte der 1950er Jahre wird nur noch bei sehr umstrittenen Grundsatzproblemen zum Mittel des Streiks gegriffen.

In der Statistik liest sich das so: Von 1950 bis 1955 sind 1,1 Millionen Arbeitnehmer an Arbeitskämpfen beteiligt, die Zahl der Streiktage liegt bei 6,3 Millionen. Von 1956 bis 1961 – streiken „nur” 332.000 Arbeitnehmer und zwar insgesamt 3,6 Millionen Tage. Von 1962 bis 1967 steigt die Zahl der Arbeitnehmer, die an Streiks teilnehmen, auf 664.000, die Zahl der Streiktage sinkt auf 2,8 Millionen.

Die Streikaktivitäten sind sehr ungleich auf die Wirtschaftszweige verteilt: In den 1950er Jahren sind es der Bergbau, die Metallverarbeitung, der öffentliche Dienst und die Eisen- und Stahlindustrie, die durch überdurchschnittlich hohe Aktivität auffallen. Bei der Zahl der Ausfalltage zeigt sich, dass die Arbeitnehmer von Metallverarbeitung sowie Eisen- und Stahlindustrie die bei weitem längsten Arbeitskämpfe führen. Dieser Überblick spiegelt auch die führende Rolle der IG Metall, die in zwei Branchen – Eisen- und Stahlerzeugung und Metallverarbeitung – die tarifliche Entwicklung mitprägt.

In den meisten Arbeitskämpfen geht darum, höhere Löhne durchzusetzen. Quer durch alle Branchen – von der Bauindustrie (1950) über die Landwirtschaft (1951), das graphische Gewerbe (1952), die Textilindustrie (1953 und 1958) bis hin zu den Kommunalbetrieben (1954 und 1958) und der Holzindustrie (1956) – wird um die Lohnhöhe gekämpft. Allein in der Metallindustrie werden zwischen 1951 und 1954 zehn Lohnstreiks durchgeführt.

Die Vielfalt der Arbeitskämpfe zeigt zweierlei: Es gibt noch keine anerkannte Tarifführung durch eine Vorreiter-Gewerkschaft. Und bei den großen Gewerkschaften, wie der IG Metall, gibt es noch keine Abstimmung darüber, in welchem Bezirk ein Pilotabschluss erzielt werden soll. Erst Mitte der 1950er Jahre übernimmt die IG Metall die Rolle des „Eisbrechers” in Fragen von Lohn- und Arbeitszeit.

Mit einem sechzehnwöchigen Streik erkämpft die IG Metall 1956/57 in Schleswig-Holstein die Lohnfortzahlung für Arbeiter und Arbeiterinnen im Krankheitsfalle und eine Verlängerung des Urlaubs. Mit diesem Streik wird der Bundestag indirekt gezwungen, die Gleichstellung von Arbeitern bzw. Arbeiterinnen und Angestellten auch gesetzlich zu verankern. Mit dem Gesetz über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vom 26. Juni 1957 wird festgelegt, dass Arbeiter und Arbeiterinnen ab dem dritten Krankentag 90 Prozent des Nettolohnes erhalten. 1961 wird diese Regelung verbessert, Arbeiterinnen und Arbeiter erhalten ab dem zweiten Krankheitstag den vollen Nettolohn. Am 1. Januar 1970 wird schließlich die volle Gleichstellung von Arbeitern bzw. Arbeiterinnen und Angestellten umgesetzt.

Mit diesem Streik hat die IG Metall Geschichte geschrieben. Dennoch hat er weitreichende negative Folgen. Die Arbeitgeber verklagen die IG Metall auf Schadensersatz, weil sie in der Durchführung der Urabstimmung noch während der Schlichtungsverhandlungen eine Kampfmaßnahme sehen, die die Friedenspflicht verletzt habe. Das Bundesarbeitsgericht folgt am 31. Oktober 1958 dieser Position und verurteilt die IG Metall zur Schadensersatzleistung.

Die Arbeitgeber bestehen nicht auf der sofortigen Zahlung des Schadensersatzes. Sie hoffen, allein die Androhung, der Schadensersatz könnte sofort fällig werden, werde die IG Metall für einige Jahre zügeln. Noch langfristiger wirkt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Die Gewerkschaften müssen sich darauf einstellen, dass Urabstimmungen bereits als Kampfmaßnahmen gelten. Seither können Urabstimmungen erst nach Ablauf der Friedenspflicht organisiert werden.

Der vielleicht heftigste Arbeitskampf dieser Jahre findet in der Metallindustrie von Nordbaden-Nordwürttemberg statt. Als der wirtschaftliche Aufschwung Anfang der 1960er Jahre abflacht, die Gewerkschaften aber dennoch auf Reallohnsteigerungen und Einhaltung der Arbeitszeitverkürzungsverträge bestehen, stellen die Arbeitgeber der Metallindustrie im Oktober 1962 folgende Forderungen auf: 1. Lohnstopp; 2. Verschiebung der Arbeitszeitverkürzung; 3. zentrale Verhandlungen und längere Laufzeit der Tarifverträge sowie 4. Abschluss eines Schlichtungsabkommens.

In den Verhandlungen um die Jahreswende 1962/63 drohen die Arbeitgeber mit dem Scheitern, sollte die IG Metall – wie vorgesehen – die laufenden Tarifverträge zum 28. Februar kündigen, ohne sich dazu bereit zu erklären, die bereits vereinbarte Verkürzung der Arbeitszeit zu verschieben. Die Verhandlungen ziehen sich bis zum Frühjahr 1963 hin. Doch erst nach Streik und Aussperrung, von der gut 300.000 Arbeitnehmer betroffen sind, einigt man sich am 7. Mai 1963 auf eine Lohnerhöhung von fünf Prozent (rückwirkend ab 1. April), die ein Jahr später durch weitere 2 Prozent aufgestockt werden soll. Die vereinbarte Arbeitszeitverkürzung soll am 1. Januar 1964 in Kraft treten. 

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