Die Arbeiterbewegung ist zerstritten. „Alle Macht den Räten“, fordern Gewerkschafter, die der Unabhängigen Sozialistischen Partei nahestehen. Die Mehrheit der Gewerkschafter aber unterstützt den Weg in eine parlamentarische Demokratie. Doch trotz Meinungsverschiedenheiten und heftiger Propaganda von links wie von rechts gewinnen die Gewerkschaften an Einfluss und Mitglieder.
Mit dem Aufstand der Matrosen und der Abdankung des Kaiser ändern sich die politischen Machtverhältnisse in Deutschland schlagartig: Die den Freien Gewerkschaften nahestehenden Parteien übernehmen die Regierungsverantwortung, die Gewerkschaften haben plötzlich direkten Zugang zur Macht.
Und sie können endlich einige ihrer Forderungen durchsetzen. Der Achtstundentag wird eingeführt, Tarifverträge werden als allgemein verbindlich anerkannt, die Kündigung von Arbeitern wird erschwert und das Betriebsrätegesetz sorgt erstmals dafür, dass Gewerkschaften in den Betrieben ein Mitspracherecht haben.
Doch das ist nur die eine Wahrheit. Die andere ist: Die Gewerkschafter sind in vielen grundsätzlichen Fragen heillos zerstritten. Die einen unterstützen den Weg in die parlamentarische Demokratie, die anderen wollen die Macht den Revolutionären, den Arbeiter- und Soldatenräten überlassen. Die einen glauben, dass es möglich sei, unter Beibehaltung der Besitzverhältnisse eine Gleichberechtigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern zu erreichen, die anderen fordern die Sozialisierung des Privateigentums.
Die beiden Strömungen finden keinen Kompromiss. Die Gewerkschaftsbewegung und die ihnen nahestehenden Parteien sind gespalten, die neu gegründete Kommunistische Partei unterstützt oppositionelle Gruppen innerhalb der Freien Gewerkschaften, um ihre politischen Macht auszubauen. Aber die Mehrheit der Mitglieder spricht sich für die parlamentarische Demokratie unter Beibehaltung des Privateigentums aus. Sie ist überzeugt, dass es möglich ist, eine kapitalistische Wirtschaftsordnung zu schaffen, die sich am Gesamtwohl der Bevölkerung orientiert.
Doch schon bald zeigt sich, dass weder Politik noch Arbeitgeber wirklich gewillt sind, ihre Versprechen einzulösen. So bleiben etwa die wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer weit hinter den Erwartungen aus der Revolutionszeit zurück. Das nach heftigen Protesten gegen die Stimmen der USPD und der rechts-bürgerlichen Abgeordneten angenommene Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 bringt zwar einen Ausbau vor allem der sozialen Mitspracherechte der Arbeitnehmervertretung. Doch von einer Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit kann keine Rede sein
Das Betriebsrätegesetz von 1920 (pdf)
Enttäuschung unter den Arbeitern macht sich breit, es kommt zu zahlreichen Unruhen. Im Frühjahr 1919 revoltieren die Anhänger der Räterepublik im Ruhrgebiet, in Bremen, in Mitteldeutschland und in München. Die Aufstände werden mit militärischer Gewalt niedergeschlagen.
Aber auch im bürgerlichen Lager formiert sich der Widerstand gegen die neue Republik. Im März 1920 versuchen nationalistische Kreise die Macht (Kapp-Lüttwitz-Putsch) zu übernehmen. Ein Generalstreik, zu dem die Gewerkschaften aufgerufen haben, zwingt die Putschisten zur Aufgabe.
Doch trotz der Bedrohung der Weimarer Republik von links und von rechts, stabilisieren sich die Verhältnisse. Die Arbeitslosigkeit geht deutlich zurück, die Löhne steigen zwar langsam, aber immerhin, die Arbeitszeit wird auf acht Stunden pro Tag begrenzt und erstmal haben Arbeiter Anspruch auf bezahlten Urlaub.
Dank dieser Erfolge und trotz so mancher Enttäuschung haben die Gewerkschaften in diesen Jahren großen Zulauf, die Zahl der Mitglieder steigt rasch an. 1920 gehören insgesamt 12,5 Millionen Arbeiter und Arbeiterinnen, Angestellte und Beamte einer gewerkschaftlichen oder gewerkschaftsähnlichen Organisation an. Mit Abstand die Größte sind die Freien Gewerkschaften. Sie bringen es zu dieser Zeit auf rund acht Millionen Mitglieder.