Zeittafel: Stationen der Mitbestimmung

1848
Der Deutschen Verfassungsgebenden Nationalversammlung in der Paulskirche liegt neben dem Hauptentwurf einer Gewerbeordnung ein Minderheitenentwurf vor, der die Gründung von Fabrikausschüssen mit bestimmten Rechten vorsieht.

1891
Novelle zur Gewerbeordnung für das Deutsche Reich: Die Errichtung von Arbeiterausschüssen wird in das Ermessen der Arbeitgeber gestellt.

1905
Novelle zum Preußischen Berggesetz: Zwingende Einführung von Arbeiterausschüssen in Bergbaubetrieben mit mehr als 100 Beschäftigten.

1916
Vaterländisches Hilfsdienstgesetz: In gewerblichen Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten sind Arbeiter- und Angestelltenausschüsse zu bilden, denen ein Anhörungsrecht in vorwiegend sozialen Angelegenheiten zusteht.

1920
Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920: In Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten sind Betriebsräte zu bilden, die bestimmte Rechte erhalten.

1922
Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern (1-2) in die Aufsichtsräte der Kapitalgesellschaften: Die Verordnung über Beiräte für die Reichsbahn regelt die Entsendung von Arbeitnehmervertretern in die aufsichtsführenden Beiräte dieses Staatsunternehmens.

1926
Reichspostfinanzgesetz: Entsendung eines Gewerkschaftsvertreters in den Verwaltungsrat.

1927
Erster Arbeitsdirektor in einer Montan-Gesellschaft (Preußische Bergwerks- und Hütten AG).

1933-1945
Das "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" vom 20.1.1934 beseitigt jede Form von Mitbestimmung.

1946
Zunächst Hans Böckler, der spätere Vorsitzende des DGB, danach auch die Interzonenkonferenz der Gewerkschaften, fordern die volle Mitbestimmung in allen Wirtschaftszweigen, sowie Arbeitnehmervertreter in allen Aufsichtsräten und Vorständen der Kapitalgesellschaften.

1946/1947
Betriebsrätegesetz des Alliierten Kontrollrats (Nr. 22 vom 10.4.1946): Die Errichtung und Tätigkeit von Betriebsräten wird wieder nach demokratischen Grundsätzen gestaltet, die Betriebsratstätigkeit wird nur allgemein umschrieben.

1948-1950
In den einzelnen Ländern entstehen gesetzliche Regelungen zum Betriebsverfassungsgesetz.

1951
Am 21.5.1951 tritt das Montan-Mitbestimmungsgesetz für Kohle- und Stahlunternehmen in Kraft.

1952
Betriebsverfassungsgesetz vom 11.10.1952: Das Gesetz sieht nur unzureichend gestaltete Rechte des Betriebsrats in bestimmten sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten vor. Für Kapitalgesellschaften schreibt es die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten fest.

1955
Personalvertretungsgesetz des Bundes vom 5.8.1955: Das Gesetz sieht nur unzureichend gestaltete Rechte der Personalräte in sozialen, personellen sowie organisatorischen Angelegenheiten vor und wird - wie das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 - von den Gewerkschaften als völlig unzureichend angesehen.

1956
Holding-Novelle zur Sicherung der Mitbestimmung in Konzernobergesellschaften des Montan-Bereichs.

1967
Mitbestimmungsänderungsgesetz zur befristeten Sicherung der Mitbestimmung in Montan-Unternehmen.

1971
Mitbestimmungsfortgeltungsgesetz zur befristeten Sicherung der Mitbestimmung in Montan-Unternehmen.

1972
Am 18.1.1972 wird das neue Betriebsverfassungsgesetz verkündet. Das neue Recht ist ein Fortschritt gegenüber dem Gesetz von 1952, bleibt aber insgesamt hinter den Forderungen des DGB zurück.

1973
Eigenbetriebsgesetz des Landes Berlin: Paritätische Besetzung der Verwaltungsräte.

1974
Inkrafttreten des neuen Bundespersonalvertretungsgesetzes (1.4.1974) als Grundlage der betrieblichen Mitbestimmung für die in den Betrieben und Verwaltungen beschäftigten Angestellten, Arbeiter und Beamten.

1976
Mitbestimmungsgesetz: Gültig für alle Kapitalgesellschaften mit mehr als 2.000 Beschäftigten (Unternehmen/Konzerne) außerhalb des montan-mitbestimmten Bereichs. Unterparitätische Lösung mit Sonderrechten für leitende Angestellte.

1977-1979
Klage der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsgesetz. Am 1.3.1979 vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen.

1981
Änderungsgesetz zur Montan-Mitbestimmung (Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951 und Holding Novelle von 1956). Befristete Sicherung der qualifizierten Mitbestimmung bei Einschränkung der Gewerkschaftsrechte.

1982
DGB-Gesetzentwurf über die Mitbestimmung in Großunternehmen und Großkonzernen.

1987
Gesetz zur Verlängerung der Auslaufzeiten in der Montanmitbestimmung.

1988
Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montanmitbestimmung.

1994
Umwandlungsgesetz vervielfacht die Möglichkeiten zur Umwandlung von Unternehmen, beispielsweise durch Fusion oder Aufspaltung. Mitbestimmungsregeln bleiben nach Abspaltungen und Ausgliederungen fünf Jahre bestehen.

1994
Gesetz für kleine Aktiengesellschaften: Neue (nach 10.8.1994 gegründete) kleine (<500 Arbeitnehmer) AG benötigen keine Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat.

1996
Durch Gesetz vom 28.10.1996 wird die Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten nationales Recht. 

1998
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG): Gewisse Verbesserungen bezüglich Berichterstattung und Risikomanagement in AG (Verkleinerung der Aufsichtsräte unterbleibt).

1999
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Montanquote im Mitbestimmungsergänzungsgesetz in der Fassung des Sicherungsgesetzes von 1988: Die Montanmitbestimmung gilt in Konzernobergesellschaften auch dann weiter, wenn der Montanbereich nicht mehr das Hauptgeschäft darstellt, aber noch 20 Prozent am Umsatz hat oder 20 Prozent der Mitarbeiter im Montangeschäft sind.

2001
28.07.2001: Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes. Unter anderem werden die Arbeitsmöglichkeiten der Betriebsräte verbessert sowie die Bildung von Betriebsräten in Kleinbetrieben erleichtert. Aufgabe der Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten (auch für den Bereich Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat).

2002
Auch in Deutschland wird eine Kommission zu einem Corporate Governance Kodex tätig und verabschiedet im Februar 2002 den ersten Kodex. Nach § 161 AktG müssen börsennotierte Unternehmen erklären, ob sie die Empfehlungen einhalten.

2004
24.05.2004: Mit dem 2. Gesetz zur Vereinfachung der Aufsichtsratswahlen wurde das Betriebsverfassungsgesetz 1952, welches für die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat galt, durch das Dirttelbeteiligungsgesetz 2004 abgelöst. Kurz danach wird auch die neue Wahlordnung verkündet.
22.12.2004: Das europäische Recht zur Europäischen Aktiengesellschaft (SE) wird in deutsches Recht umgesetzt.

2005
08.06.2005: Gesetz ändert Quorum für Delegierte nach § 12 MitbestG wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts.

2006
Im August wird das Umsetzungsgesetz zur Europäischen Genossenschaft - angelehnt an die Europäische Aktiengesellschaft - verabschiedet.

2006/2007
Die Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften wird in 2006 bezüglich des mitbestimmungsrechtlichen Teils (MgVG) und 2007 des gesellschaftsrechtlichen Teils (Ergänzung des Umwandlungsgesetzes) nationales Recht.

2011
Das Recht der Europäischen Betriebsräte wird 2009 novelliert. Die nationale Gesetzesüberarbeitung tritt im Dezember 2011 in Kraft.

Seiten dieses Artikels:

Nach der Revolution 1848: Die ersten Arbeiterausschüsse
Weimarer Republik: Erste Erfolge in der Mitbestimmung
Nazi-Diktatur: Betriebsräte werden aufgelöst
Nach dem II. Weltkrieg: Hoffnung auf "echte" Mitbestimmung

Zeittafel: Stationen der Mitbestimmung
2016 - Jahrestage der Mitbestimmung

Literaturhinweis:
Werner Milert u. Rudolf Tschirbs, Die andere Demokratie. Betriebliche Interessenvertretung in Deutschland, 1848 bis 2008, Essen 2012

Quelle der Zeittafel:
Internetseite der Hans-Böckler-Stiftung  mit umfassenden Themen zur Mitbestimmung heute und gestern 

Zur Mitbestimmung heute und den Auseinandersetzungen der  jüngeren Geschichte: Website der Hans-Böckler-Stiftung

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