Nach der Revolution 1848

Die ersten Arbeiterausschüsse

Das Borsig-Unternehmen: Es gehörte zu den Ersten, in denen Arbeiterausschüsse gebildet werden

Der Konflikt zwischen Kapital und Arbeit entwickelt sich im Zuge der Industrialisierung unter kapitalistischen Vorzeichen um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Arbeiter und Arbeiterinnen stehen den Fabrikherren recht- und machtlos gegenüber, diese degradieren ihre Leute zu rechtlosen Befehlsempfängern.

Schon die ersten Arbeiterorganisationen kämpfen gegen Ausbeutung und Entmündigung und fordern für die Arbeiter und Arbeiterinnen ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Im Zuge der Revolution 1848 werden, z.B. bei Borsig in Berlin, erste betriebliche Arbeiterausschüsse gebildet. Und in den Beratungen des Volkswirtschaftlichen Ausschusses der Frankfurter Nationalversammlung wird 1848 die Idee einer betrieblichen und überbetrieblichen Mitbestimmung diskutiert, allerdings nicht umgesetzt.

Nach Auslaufen des Sozialistengesetzes wird 1891 im Zuge des „Neuen Kurses“ unter Kaiser Wilhelm II. mit dem Arbeiterschutzgesetz die freiwillige Bildung von Arbeiterausschüssen angeregt. 1892 wird die Idee der Arbeiterausschüsse mit der Preußischen Berggesetznovelle auf den Bergbau übertragen. Beide Gesetze stoßen vor allem bei den Arbeitgebern der Schwerindustrie auf Ablehnung, die Umsetzung lässt dann auch bis 1905 auf sich warten. In anderen Branchen entstehen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aus den betrieblichen Unterstützungskassen, die vielfach von Arbeitern geleitet werden, Vorformen von Betriebsvertretungen. Und in einzelnen Betrieben, z.B. in der Jalousiefabrik Heinrich Freeses in Berlin und in den Carl Zeiss Werken in Jena, werden schon Ende der 1880er Jahre Arbeiterausschüsse gebildet.

Parallel dazu diskutieren die Gewerkschaften über Formen einer möglichen überbetrieblichen Mitbestimmung: Die Christlichen Gewerkschaften plädieren für die Bildung von Arbeitskammern, die paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt sind, die Freien Gewerkschaften wollen die Schaffung von „reinen“ Arbeiterkammern, die den Industrie- und Handelskammern zur Seite stehen sollen. Realisiert werden beide Ideen nicht. Umgesetzt aber werden die Arbeiterausschüsse in den Betrieben: 1900 werden in bayerischen Bergbaubetrieben Ausschüsse eingeführt, nach einem Bergarbeiterstreik an der Ruhr 1905 auch in Preußen in Bergbaubetrieben mit mehr als 100 Beschäftigten.

Berggesetznovelle 1905

Das Erstarken der Gewerkschaftsbewegung im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts sorgt für eine Ausweitung der Arbeiterausschüsse auf die Industrie außerhalb des Bergbaus. Doch weite Kreise der Unternehmerschaft, vor allem der Schwerindustrie, lehnen weiterhin jede Mitsprache der Arbeitnehmer bzw. ihrer gewählten Vertreter entschieden ab. Sie verbieten sich jede Einmischung „sachfremder“ Interessen in ihre Führungsbefugnisse. Diese Argumentation richtet sich speziell gegen die Beteiligung der Gewerkschaften an den Betriebsausschüssen. Dennoch setzen sich die Arbeiterausschüsse in der Industrie, z.B. in der Metallindustrie Berlins, nach und nach durch.

Im Ersten Weltkrieg werden, um die Arbeiterschaft in die Kriegswirtschaft einzubinden, verstärkt Arbeiterausschüsse eingerichtet. Das Hilfsdienstgesetz 1916 billigt die Bildung von Arbeiterausschüssen in allen kriegs- und versorgungswichtigen Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten unter Beteiligung der Gewerkschaften. Diese Ausschüsse müssen in allen sozialen Fragen angehört werden.

Hilfsdienstgesetz 1916.pdf

Nach der Revolution 1848: Die ersten Arbeiterausschüsse
Weimarer Republik: Erste Erfolge in der Mitbestimmung
Nazi-Diktatur: Betriebsräte werden aufgelöst
Nach dem II. Weltkrieg: Hoffnung auf "echte" Mitbestimmung

Zeittafel: Stationen der Mitbestimmung
2016 - Jahrestage der Mitbestimmung

Literaturhinweis:
Werner Milert u. Rudolf Tschirbs, Die andere Demokratie. Betriebliche Interessenvertretung in Deutschland, 1848 bis 2008, Essen 2012

Quelle der Zeittafel:
Internetseite der Hans-Böckler-Stiftung  mit umfassenden Themen zur Mitbestimmung heute und gestern 

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