„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Dieser Satz von Michail Gorbatschow an die DDR-Spitze wird schon bald bittere Wahrheit – zumindest aus Sicht der SED-Führung. Zu tausenden verlassen DDR-Bürger über Ungarn und die Tschechoslowakei das Land, die Demonstrationen in Berlin, Leipzig und anderswo bekommen immer mehr Zulauf. Am 9. November fällt die Mauer. Es ist der Anfang vom Ende der DDR.
Schild auf dem Betriebsgelände des VEB Geräte- und Regelwerke Teltow „40 Jahre DDR“
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In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wird die SED-Führung ihren eigenen Ansprüchen immer weniger gerecht. Die von Honecker viel beschworene Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik funktioniert nicht. Zwar wird der Ausbau der Sozialsysteme noch vorangetrieben, doch die ökonomischen Probleme spitzen sich zu. Die Preissteigerungen für Erdöl, Erdgas und andere Rohstoffe auf dem internationalen Markt verschärfen den ohnehin chronischen Devisenmangel, die relativ geringe Produktivität der DDR-Wirtschaft lässt Planziele und Wirklichkeit immer weiter auseinanderklaffen.
Dennoch sehen Partei- und Staatsführung keinen Bedarf umzusteuern. Selbst Mitte der 1980er Jahre, als die Auswirkungen der Krise überall spürbar werden, halten sie an ihrem Kurs fest. Noch schlimmer: Sie lehnen die Reformpolitik von Michail Gorbatschow, der 1985 zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewählt wird, strikt ab. Für Erich Honecker und seine Genossen in der DDR-Führung sind Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umbau) ein Verrat an der marxistischen-leninistischen Lehre. Zum ersten Mal seit Kriegsende ist das Verhältnis zwischen Sowjetunion und DDR gespannt.
Derweil bekommt die Bevölkerung die Auswirkungen der Wirtschaftskrise immer stärker zu spüren. Der Lebensstand sinkt, der Unmut wächst. Im Laufe der 1980er Jahre entwickelt sich eine oppositionelle Szene. Es sind zunächst wenige, die sich unter dem Schutz der Kirchen versammeln und mehr Demokratie fordern. Trotz scharfer Bewachung durch den berüchtigten Staatssicherheitsdienstes entstehen Friedens-, Umwelt- und Frauengruppen, erstmals wird das Meinungsmonopol von SED und FDGB sowie anderen DDR-Massenorganisationen in Frage gestellt.
Nach den Kommunalwahlen im Mai 1989 spitzt sich die Lage zu. Bürgerrechtler und Oppositionsgruppen werfen der SED-Regierung Wahlfälschung vor und rufen zu Demonstrationen auf. In Berlin und anderen Städten gehen Tausende auf die Straße und fordern mehr Demokratie. Die wöchentlichen Montagsdemonstrationen in Leipzig bekommen immer mehr Zulauf und ihr Ruf „Wir sind das Volk“ reicht weit über Leipzig hinaus.
Andere verlassen das Land. Sie kehren einem Sozialismus den Rücken, der wirtschaftlich gescheitert ist und der sie jahrzehntelang entmündigt hat. Sie fliehen nach Ungarn und in die Tschechoslowakei, besetzen dort die deutschen Botschaften und dürfen schließlich im Sommer 1989 ausreisen.