Mit der programmatischen Festlegung auf dem 3. FDGB-Kongress 1950 ist der Weg der nächsten Jahre vorgezeichnet. Der FDGB unterstützt vorbehaltslos den Fünfjahresplan (1951-1955) der SED-Regierung. Und er will die „werktätigen Menschen in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben befähigen, die Aufgaben dieses Planes zu meistern.“ Diesem Ziel dienen vom FDGB angeleitete „Produktionsberatungen“ in den Betrieben und die Aktivistenbewegung um „Bestleistungen“ zu erreichen.
Traditionelle Tarifarbeit findet nicht statt: Die zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden ausgehandelten Tarifverträge werden ersetzt durch Betriebsverträge, ab 1951 durch Betriebskollektivverträge (BKV), in denen Belegschaft und Betriebsleitung sich auf gemeinsame Ziele verständigen. Diese von Betriebsgewerkschaftsleitung und Betriebsleitung vereinbarten Verträge bedürfen der Zustimmung der Belegschaft.
Nicht in allen Betrieben finden diese Verträge die Billigung der Werktätigen. Das vorrangige Ziel der Leistungssteigerung ist allzu deutlich erkennbar. Die SED-Führung macht den FDGB dafür verantwortlich, dass sich die Kollektivverträge zu langsam durchsetzen lassen. Schuld sei die mangelhafte ideologische Arbeit der Gewerkschaftsleitungen. Sie verstünden es nicht, die grundsätzliche Bedeutung des Kollektivvertrages, des Leistungslohns und der Arbeitsdisziplin zu erklären.
Allerdings ist wohl auch einer Reihe von SED-Funktionären klar, dass der FDGB mit seiner Einordnung in das System der DDR die Loyalität der Arbeiterinnen und Arbeiter auf Dauer nicht sichern kann. Es wird anerkannt, dass es auch im Sozialismus zu Interessenkonflikten zwischen Arbeiterschaft einerseits und volkseigener Wirtschaft und damit dem Staat andererseits kommen kann. Selbstkritisch wird angemerkt, die SED-Führung habe den FDGB im Kampf um die Durchsetzung der Betriebskollektivverträge nur ungenügend unterstützt. Das „Neue Deutschland“ mahnt am 19. Oktober 1951 sogar den FDGB, die „Initiative der Massen“ besser zu berücksichtigen und nicht nur zu kommandieren oder die alten Formeln herunterzuleiern.
Um den FDGB nicht erneut in eine Auseinandersetzung mit den Betriebsbelegschaften zu hetzen, werden die Lohn- und Arbeitsbedingungen in den Kollektivverträgen 1952 weitgehend durch Gesetze festgelegt, so dass der FDGB aus der Schusslinie genommen wird. Außerdem wird der Anteil der SED-Mitglieder in den Führungsgremien des FDGB reduziert.
Doch mit den Beschlüssen der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 wird der wirtschaftspolitische Kurs derart verschärft, dass auch das Image des FDGB in Mitleidenschaft gezogen wird. Das liegt auch daran, dass der Vorsitzende des FDGB, Herbert Warnke auf dieser Parteikonferenz verspricht, sich dafür einzusetzen, „die gesamte Arbeiterschaft zu einer Armee der Partei zu machen“.
Volksaufstand im Juni 1953
Höhere Arbeitsnormen und eine verschlechterte Versorgungslage trüben die Stimmung weiter Kreise der Bevölkerung ein. Das signalisieren auch die steigenden Flüchtlingszahlen: Fast eine halbe Million DDR-Bürgerinnen und -Bürger gehen im ersten Halbjahr 1953 in den Westen.
Im Mai 1953 beschließt die DDR-Führung eine Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 Prozent. Das führt zu ersten Unruhen und vereinzelten Streiks. Rückschauend urteilt Herbert Warnke selbstkritisch über die Rolle des FDGB in dieser Konfliktsituation: Nach seiner Ansicht versuchten „viele Gewerkschaftsleitungen und Funktionäre die Losung ‚Mehr produzieren – besser leben‘ nur in ihrem ersten Teil zu verwirklichen. […] Der Arbeitsschutz erschien in unseren Reden und Entscheidungen nicht in erster Linie als Mittel zur Erhaltung der Gesundheit und des Lebens der Werktätigen, sondern vor allem als eine ‚entscheidende Voraussetzung zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und Einsparung von Kosten für die Sozialversicherung‘. Wenn vom Sport gesprochen wurde, dann ausschließlich von dem Gesichtspunkt, daß durch den Sport die Arbeitsfähigkeit der Werktätigen erhalten und gesteigert werde.“ Derartige Beispiele ließen sich, so das Eingeständnis Warnkes, „beliebig vermehren, und zwar für alle Gebiete der Gewerkschaftsarbeit.“
In der Tat kommt dem FDGB eine wichtige Rolle für die weitere Entwicklung zu. Obwohl das SED-Politbüro mit Rücksicht auf die Stimmung in der Bevölkerung in einer Erklärung vom 9. Juni 1953 von den Frühjahrsbeschlüssen abrückt, hält der FDGB an der Normerhöhung fest. In der FDGB-Zeitung „Tribüne“ vom 16. Juni werden die Normbeschlüsse als „in vollem Umfang richtig“ bezeichnet.
Dieser Artikel wirkt wie ein Signal: Nachdem ein Mitglied der Betriebsgewerkschaftsleitung diesen Artikel den Bauarbeitern an der Berliner Stalinallee vorgelesen hat, formiert sich spontan ein Protestzug zum Ministerrat. Tausende Bürgerinnen und Bürger schließen sich der Demonstration an. Umgehend wird die Rücknahme der Normerhöhung ankündigt, dennoch weiten sich die Proteste in Ost-Berlin und anderen Orten der DDR aus. Der Protest gegen die Normerhöhung wird binnen kürzester Zeit zu einer Bewegung gegen die Führung der DDR, für freie Wahlen und für die deutsche Einheit.
Der FDGB-Bundesvorstand ruft die Gewerkschafter noch am selben Tag dazu auf, den sozialistischen Staat gegen alle „konterrevolutionären Angriffe“ zu verteidigen. Drahtzieher des Aufstandes seien „die gleichen Kräfte, die Deutschland schon zweimal ins Unglück gestürzt haben und die es jetzt ein drittes Mal versuchen.“
Am 17. Juni 1953 wird der Aufstand mit der Hilfe sowjetischer Truppen blutig niedergeschlagen. Nach offiziellen Angaben kommen dabei 20 Menschen ums Leben, wirklich sind es wohl mehrere Hundert. Die „Rädelsführer“ des Aufstandes werden streng bestraft: Mindestens 22 Personen werden zum Tode, 1.400 zu Zuchthausstrafen verurteilt.
Nach der Niederschlagung des Aufstandes hält der FDGB-Vorstand an seiner bisherigen Linie fest. Die FDGB-Tagung im August 1953 bekräftigt das Bekenntnis zur SED als der Partei der Arbeiterklasse und zur DDR. Auch künftig würden die Gewerkschaften den Staat den sie mitgeschaffen haben, gegen jeden Anschlag schützen und verteidigen.
Anders als es die offiziellen Erklärungen proklamieren, ist der FDGB durch die Ereignisse vom Juni 1953 schwer getroffen: Einerseits haben sich Teile der Mitgliedschaft und auch der unteren Funktionärsschicht der Protestbewegung angeschlossen. Andererseits war am 17. Juni auch der FDGB, d.h. die Spitze, Adressat der Proteste: Häuser, Ferienheime und Schulen des FDGB sind gestürmt worden.
Um die Stimmung in der Bevölkerung zu stabilisieren, werden in den folgenden Monaten Lohn- und Rentenerhöhungen und ein Wohnungsbauprogramm verkündet. Dass dabei die Rolle des FDGB als Vorkämpfer der sozialen Interessen der Arbeitnehmer herausgestellt wird, dient wohl vor allem dazu, das Image des FDGB aufzubessern.