Die soziale Lage fast aller Arbeiterfamilien ist schlecht. Doch drei Gruppen kämpfen mit besonders schwierigen Bedingungen: Die Heimarbeiterinnen, die Wanderarbeiter und die Landarbeiter.
Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter sind geprägt davon, dass Wohn- und Arbeitsraum identisch sind und dass es keine fest abgegrenzte Arbeitszeit gibt. Außerdem können (und müssen) alle Familienangehörigen, von den Kindern bis zu den Großeltern, bei der Arbeit mithelfen, wenn es sich nicht um hoch qualifizierte Tätigkeiten handelt.
Das bedeutet, Arbeit und Haushalt sind kaum voneinander zu trennen. Das führt unter den damaligen Wohnverhältnissen zu drangvoller Enge und einem hohen Grad an (Selbst-)Ausbeutung, ist doch „immer“ etwas zu tun.
Wanderarbeiter
Eine große Zahl der Industriearbeiter lebt nicht mit der Familie zusammen: Während Frau und Kinder weiterhin im heimischen Dorf wohnen, geht der Mann für die Arbeitswoche oder, wenn die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort zu groß ist, gar für Monate in die Stadt. Lange Fußmärsche zum nächsten Bahnhof sind die Regel. So wandern Arbeiter aus der Eifel zur Arbeit ins Ruhrrevier, Arbeiter aus dem Bayerischen Wald in die aufstrebende Industrieregion um Augsburg und Nürnberg.
Nur wenige Wanderarbeiter können unter der Woche bei einem Verwandten in der Stadt unterkommen. Die meisten mieten sich vielfach nur einen Schlafplatz, entweder in einer Massenunterkunft oder als Untermieter in einer Etagenwohnung. Direkt nach dem Arbeitsende am Samstag macht sich der Arbeiter dann auf den Weg in sein Heimatdorf zu seiner Familie. Doch Freizeit hat er nicht: Der Sonntag ist vielfach mit Ausbesserungsarbeiten oder mit Feld- bzw. Gartenarbeit ausgefüllt. Am Sonntagabend, manchmal auch am Montagmorgen macht er sich auf den Weg zurück in die Stadt, direkt zu seinem Arbeitsplatz.
Landarbeiter und Landarbeiterinnen
Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Landarbeiter und Landarbeiterinnen, der Knechte und Mägde, hat einen ganz eigenen Charakter: Der Arbeitstag wird vom saisonalen Arbeitsanfall und vom Sonnenauf- und -untergang bestimmt. Es gibt nicht die feste Arbeitszeit, die die Fabrikarbeit kennzeichnet. Außerdem sind Arbeitsplatz und Wohnort nicht – wie in der Stadt – voneinander getrennt. Und schließlich arbeiten in den meisten Fällen beide Partner auf demselben Bauernhof oder Gut.

Es reicht fürs Überleben: Eine Gruppe von Landarbeitern vor einer Badenia-Dreschmaschine um 1900
© Stadtarchiv Weinheim
Landarbeiterfamilien sind auf größeren Gütern vielfach in einem ärmlich eingerichteten Gesindehaus, bei kleinen Bauernhöfen auch in einem durch Bretter vom Stall abgetrennten Verschlag untergebracht, der im Winter durch die Körperwärme der Tiere „beheizt“ wird. In den meisten Fällen aber sind die Landarbeiter und Landarbeiterinnen Teil der bäuerlichen „Tischgemeinschaft“; d.h. sie essen zusammen mit dem Bauern und seiner Familie, werden auch bei der Arbeit auf dem Feld von der Bauernküche mitversorgt. Die Ernährungssituation ist daher meist günstiger als in der Stadt. Aber die Löhne sind extrem niedrig, weil die Kosten für Unterbringung und Verpflegung auf die Löhne angerechnet werden.
Hinzu kommt die soziale Kontrolle auf dem Land. Der Bauer bzw. Gutsherr kann darüber wachen, was seine Leute treiben, gewerkschaftliche oder politischen Aktivitäten werden sofort entdeckt. Geheime Wahlen sind unmöglich: Wer geheim wählt, offenbart sich als Wähler der Sozialdemokratie, gewerkschaftliches Engagement wird unterdrückt.