Die digitale Revolution

Weltweit vernetzt arbeiten

Illustration der Digitalisierung

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Seit den 1970er Jahren revolutioniert der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung die Arbeitswelt. Mit der Erfindung des Mikrochips, der integrierte Schaltkreise auf kleinstem Raum enthält, wird der Bau neuer sich selbststeuernder Maschinen möglich.

Ausgehend von der Druckindustrie erobert die Elektronik binnen kurzer Zeit nahezu alle Bereiche der industriellen Produktion (und der Verwaltung). Komplexe Produktionsvorgänge laufen ohne menschliches Zutun ab, Arbeitskräfte werden vielfach nur noch gebraucht, um die Maschinen zu überwachen und bei Störungen einzugreifen.

Ein weiterer Innovationsschub kommt nach der Jahrhundertwende mit dem Internet. Es ermöglicht den Austausch von Informationen ohne Rücksicht auf die räumliche Entfernung in Sekundenschnelle. „Industrie 4.0“ wird zum Schlagwort für diese vierte Industrielle Revolution: Planung, Fertigung und Logistik werden unter Nutzung einer Maschine-zu-Maschine-Kommunikation miteinander vernetzt.

Ging es früher darum, die menschliche Körperkraft nach und nach durch Maschinen zu ersetzen, so zeigen sich jetzt Möglichkeiten, die geistigen Fähigkeiten durch künstliche Intelligenz zu ergänzen bzw. zu optimieren. Industrieroboter sind auf dem Vormarsch.

Durch die elektronische Revolution werden in der „alten“ Industrie Arbeitsplätze abgebaut. Die Herstellung neuer Produkte wie Laptop, Smartphone und Tablet aber benötigt eben dank moderner Fertigungstechniken selbst weniger Arbeitskräfte. Hinzu kommt, dass die internationale Verflechtung, beschleunigt durch das Internet, problemlos weit auseinanderliegende Produktionsstandorte miteinander vernetzt und die fertigen Produkte dank günstiger Frachttarife weltweit transportiert werden können.

Außerdem revolutionieren elektronische Datenverarbeitung und Internet den Dienstleistungsbereich, von Schriftverkehr und Ablage über Buchhaltung und Lagerverwaltung bis hin zum Personalmanagement. Berufsbilder verändern sich, Tätigkeitsfelder verschwinden, andere entstehen neu.

Die Arbeitsplätze haben sich in nahezu allen Bereichen grundlegend verändert. Nur ein paar Beispiele: Leisteten früher Arbeiter an Hochöfen und Walzstraßen Schwerstarbeit, so übernehmen heute Automaten einen großen Teil der Arbeit, die von wenigen Ingenieuren und Spezialisten an Steuerpulten geleitet werden.  Schleppten früher Hunderte von Hafenarbeitern Säcke und Kisten, wenn die Ladung eines Schiffes gelöscht wurde, so heben heute Spezialkräne die Container aus dem Bauch des Schiffes. Arbeiteten früher zahlreiche Setzer und Metteure, um Tageszeitungen, Zeitschriften und Bücher druckfertig zu machen, so liefern heute die Autoren selbst die druckfertigen Dateien.

Crowdworker werden zum Kennzeichen der neuen Arbeitswelt: Unternehmen gehen inzwischen vielfach dazu über, ihre Aufträge in Kleinaufträge aufzuspalten und im Internet anzubieten. Erledigt werden die Aufträge zuhause am PC, die ihre Arbeitsleistung meist ohne Vertrag, ohne tarifliche und soziale Absicherung und ohne Mitbestimmung erbringen.

Mit dem Wandel der Arbeitswelt verschieben sich nicht nur die Gewichte zwischen den Wirtschaftsbereichen: „Alte“ Industrien wie die Schwerindustrie oder der Schiffsbau verlieren an Bedeutung, neue wie der Bau von ökologischen Energieerzeugungsanlagen gewinnen an Gewicht. Hinzu kommen Aufspaltungen der Arbeitnehmerschaft in fest angestellte und prekär Beschäftigte, in Gutverdienende und Niedriglohnempfänger. Diese Aufspaltung wird überlagert und verschärft durch die wachsende Zahl von Einwanderern und Flüchtlingen. Die soziale Ungleichheit der Arbeits- und Lebensverhältnisse nimmt zu.

Aufgaben der Gewerkschaften

Bei allen Schüben von Mechanisierung, Rationalisierung und Automation haben sich die Gewerkschaften bemüht, den Wandel der Arbeitsgesellschaft mitzugestalten: Es ging um Abqualifizierungsschutz, z.B. bei Druckern und Setzern, um die Anpassung der neuen Techniken an die Interessen der Arbeitnehmer im Zuge der Humanisierung der Arbeitswelt. Die Themen Weiterbildung bzw. Weiterqualifizierung und lebenslanges Lernen wurden zu zentralen Forderungen der Gewerkschaften. Und es ging um die Milderung der Folgen der Verdichtung der Arbeit – durch verbesserten Arbeitsschutz und durch Verkürzung der Arbeitszeit. Zudem stemmten sich die Gewerkschaften der Aufspaltung der Arbeitnehmerschaft, vor allem der wachsenden sozialen Ungleichheit entgegen.

Ganz neue Formen der Arbeit wie das Crowdworking, die Arbeitsrecht und Mitbestimmung aushöhlen und die gewerkschaftlichen Handlungsmöglichkeiten schwächen, zwingen die Gewerkschaften zum Nachdenken über die Zukunft der Arbeit und die Arbeit der Zukunft.

Viele offene Fragen

Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der vierten Industriellen Revolution sind noch nicht absehbar. Nur soviel ist klar: Die Arbeit der Zukunft wird sich deutlich von der heute unterscheiden. Doch was bedeutet der Wandel der Arbeitswelt? Haben die großen Fabriken, die wir noch kennen, ausgedient? Wird menschliche Arbeitskraft durch die Automation überflüssig?  Werden bald nur noch Computerfachleute einen sicheren Arbeitsplatz haben? Ist die Spaltung der Gesellschaft aufzuhalten? Wovon werden die Menschen leben? Wer wird die Sozialsysteme finanzieren? Muss Roboterarbeit besteuert werden, um Wohlstand und Sozialstaat zu sichern?

Ein kurzer Dialog zwischen einem Unternehmer und einem Gewerkschafter bei der Besichtigung einer vollautomatisierten Autofabrik bringt das Problem auf den Punkt. Der Unternehmer fragt den Gewerkschafter: „Wie willst du meine Roboter dazu bringen, für deine Gewerkschaft zu streiken?“ Der Gewerkschafter erwidert: „Und wie willst du deine Roboter dazu bringen, deine Autos zu kaufen?

Seiten dieses Artikels:

Industrielle Revolution:  Maschinen verändern das Leben
Das Fließband kommt: Fordismus und Taylorismus
Aktuell: Die digitale Revolution

Literaturhinweise:
Knud Andresen, Ursula Bitzegeio u. Jürgen Mittag (Hrsg.), „Nach dem Strukturbruch?“ Kontinuität und Wandel von Arbeitsbeziehungen und Arbeitswelt(en) seit den 1970er Jahren, Bonn 2011
Knud Andresen, Michaela Kuhnhenne, Jürgen Mittag u. Johannes Platz  (Hrsg.), Der Betrieb als sozialer und politischer Ort. Studien zu Praktiken und Diskursen in der Arbeitswelt des 20. Jahrhunderts, Bonn 2015
Reiner Hoffmann u. Claudia Bogedan (Hrsg.), Arbeit der Zukunft. Möglichkeiten nutzen – Grenzen setzen, Frankfurt/New York 2015

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