Entspannteres Verhältnis

Gewerkschaften und politische Parteien

Das Verhältnis der Gewerkschaften zu CDU und CSU ist durch die Regierungspolitik in den 1990er Jahren und während der „schwarz-gelben“ Koalition (2009-2013) belastet, aber nicht nachhaltig gestört. Die Gewerkschaften sehen in CDU und CSU, vor allem in deren Arbeitnehmerflügel, nach wie vor einen möglichen Ansprechpartner. Diese Tendenz wird durch die Enttäuschung über die Politik der Regierung Schröder (1998-2005) und die „Sozialdemokratisierung“ der CDU-Politik gerade in Zeiten der Großen Koalitionen unter Angela Merkel noch gestärkt.

Von dem einstmals beschworenen „Schulterschluss“ zwischen SPD und Gewerkschaften ist nicht mehr die Rede: Sowohl die DGB-Führung als auch die Führung der SPD achtet insbesondere seit der Jahrhundertwende darauf, dass nicht der Eindruck einer allzu großen Nähe oder gar gegenseitigen Abhängigkeit entsteht. 

Ein ambivalentes Verhältnis: DGB und SPD, hier ein Treffen von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer

© AdsD/6/FOTA155918; Thomas Imo

Vor allem seit den Hartz-Reformen stehen die Gewerkschaften der sozialdemokratischen Regierungspolitik kritisch gegenüber, empfinden sie diese Politik doch als Abrücken von traditionellen Werten der Solidarität und der sozialen Gerechtigkeit. Eine Entspannung des Verhältnisses zur SPD bewirken die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen der Großen Koalition seit 2013, in der Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eine Reihe von Gesetzen realisiert, die den Gewerkschaften entgegenkommen.

Mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) bzw. seit 2007 der Linkspartei gibt es im linken Spektrum eine weitere Partei, die sich als Interessenvertreterin der Arbeitnehmer, vielfach auch der Arbeiter(klasse) in einem ganz traditionellen Sinne, versteht. Zwar grenzen sich zunächst einige Gewerkschaften ausdrücklich von der PDS als der Nachfolgepartei der SED ab. Doch im Laufe der Jahre „normalisiert“ sich das Verhältnis zur Linkspartei, deren sozialpolitisches Programm deutliche Schnittmengen mit den gewerkschaftlichen Zielen aufweist.

Nach anfänglichen Irritationen im Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Grünen zeichnet sich im Laufe der 1990er Jahre eine Entspannung bzw. gegenseitige Öffnung ab: Zwar bleiben die Unterschiede in der jeweiligen Sozialstruktur von Mitgliedern bzw. Anhängern erhalten. Doch die Gewerkschaften sehen Umweltschutzgesichtspunkte nicht mehr vorrangig als Gefährdung ihrer arbeitsmarktpolitischen Ziele, und Bündnis 90/Die Grünen – 1993 schließen sich beide Organisationen zusammen – erkennen, dass sie ohne Berücksichtigung der Realitäten von Wirtschaft und Arbeitsmarkt kaum eine politische Gestaltungschance erhalten. Auch setzt mit der Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/Die Grünen im Bund (1998-2005) und an mehreren Landesregierungen eine Umorientierung der „grünen” Politik hin zu mehr Pragmatismus ein. Dass mit Frank Bsirske ein Grüner Vorsitzender einen großen Einzelgewerkschaft (Ver.di) ist, signalisiert, dass es keine unüberbrückbaren Gegensätze mehr gibt.

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1990 - 2015 

14. Bundeskongress 1994: DGB beschließt überfällige Reformen
DGB: Für gleiche Verhältnisse in Ost und West
Der Flächentarifvertrag verliert Bindungskraft: Angriffe auf den Tarifvertrag
Umwelt, Globalisierung ... Neue Themen - neue Antworten

Themen und Aspekte dieser Epoche 

Der DGB wird schlanker: Zur Organisationsreform des Deutschen Gewerkschaftsbundes
ver.di und andere: Die Fusionen der Gewerkschaften
Gewerkschaften und politische Parteien
Neuer Schwerpunkt Europa

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